Foto: Dieter Schinner

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Johann Rudolf Pagenstecher war seinerzeit in Osnabrück eine durchaus prominente Persönlichkeit. Er war es nämlich, der als studierter Bergmeister die Kohleförderung am Piesberg zu ungeahnten Ausmaßen mit 1500 Beschäftigten führte!

Pagenstecher war jedoch nicht nur Industriekapitän, sondern auch Förderer der Landwirtschaft und Gründer der ersten Landwirtschaftsschule im Osnabrücker Land. Er selber hatte eine Hofstelle in Lechtingen übernommen und kannte die hiesigen Gegebenheiten sehr genau. Deshalb fiel es ihm nicht sonderlich schwer, einigen seiner Zechenarbeiter schmackhaft machen, sich hier anzusiedeln. Ein großes Problem für die Neubauern war jedoch der weite Weg zur nächsten Mühle nach Rulle oder Hollage. Daher beschloss der inzwischen schon 78jährige vor Ort in Lechtingen eine Mühle zu bauen. Nach einigen Querelen um die Genehmigung konnte der offenbar noch immer sehr energische Pagenstecher 1887 seine Mühle in Betrieb nehmen.

Mit den Jahren merkte der Pächter der Mühle, dass wohl die Windverhältnisse am Standort nicht gänzlich optimal waren, deshalb wurde der Betrieb auf die Unterstützung durch einen Dampfkessel umgestellt. Das war gewissermaßen das Ende der Windkraftnutzung, wenn auch auf Raten. Der Dampfkessel wurde bald durch einen modernen Motor ersetzt, der das ursprüngliche Mühlenwerk letztlich überflüssig machte, so dass es mit der Zeit verfiel. Zuerst verlor die Mühle ihre Flügel und in den 1920ern flog bei einem Sturm die ganze Mühlenkappe herunter. Der Mühlenstumpf bekam daraufhin ein Betondach und der eigentliche Mahlbetrieb wanderte wenig später in Gänze in die Motormühle. So blieb der Mühlenstumpf über viele Jahre hinweg mehr oder weniger sich selbst überlassen. Die Müllergesellen aus der Motormühle sollen öfters abenteuerlustig auf das Dach der Windmühle geklettert sein, um dort ihre Mittagspause zu verbringen. Die Beine vom Dach baumeln lassend leerten sie dort in aller Ruhe das mitgebrachte Essen aus ihren Henkelmännern. Sehr zum Ärger ihres Meisters.

1970 war auch damit endgültig Schluss, der letzte Pächter gab den Betrieb auf. Das hätte den endgültigen Verfall der Mühle bedeuten können, 1982 wurde jedoch der Verein Windmühle Lechtingen gegründet, der mit viel ehrenamtlichem Engagement und Sponsorengeldern die Mühle rettete und ihr sogar ihre ursprüngliche Gestalt wiedergab.

Aktuell ist während der warmen Jahreshälfte die Mühle in der Regel den ersten Sonntag im Monat nachmittags geöffnet. Und wer hier traditionell gemahlenes Mehl aus ökologischem Anbau kaufen möchte, kann das jeden Samstagvormittag zwischen 10 und 12 Uhr tun.