Sagen der Hufeisenregion

Das Gnadenbild in Kloster Oesede

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Graf Ludolf von Oesede und seine Frau Thedelda gründeten im Jahr 1170 das Nonnenkloster in Oesede. Der erste Propst in Oesede hieß Theoderich, ein gottesfürchtiger und frommer Mann, der den Nonnen des Klosters als Beichtvater diente. Als er sich anschickte, in St. Johann, der neu errichteten Klosterkirche, das Stundengebet zu verrichten, geriet er plötzlich in den Zustand allerhöchster Verzückung. Dabei wurde ihm die beglückende Vision zuteil, wie die Heilige Jungfrau Maria vom Himmel herabkam und sich zwischen der Heiligen Barbara und der Heiligen Cäcilia niederließ, um die Kirche in Besitz zu nehmen.

Zu dieser Zeit hatte das Kloster den Ruf allerhöchster Frömmigkeit und Eifers. Daher gab die Landgräfin Elisabeth von Thüringen, die wegen ihrer Mildtätigkeit später heiliggesprochen wurde, ihre beiden Töchter in die Obhut der Nonnen von Kloster Oesede. Da die beiden sehr wohlerzogen und -unterrichtet zurück an den Hof ihrer Eltern zurückkamen, wollten sich Elisabeth und ihr Gatte Ludwig gerne erkenntlich zeigen. Da erbaten sich die Nonnen das Standbild der Hl. Jungfrau mit dem Kinde, von dem die Töchter so oft gesprochen hatten. Landgraf Ludwig erfüllte diese Bitte, wenn auch ungern, da ihm das Standbild ebenfalls lieb und teuer war. Als das kostbare Geschenk im Kloster Oesede eintraf begannen die Glocken der Kirche von allein an zu läuten. Aufgestellt wurde das Standbild genau dort in der Kirche, wo seinerzeit Propst Theoderich die Hl. Jungfrau hatte sich niedersetzen sehen.

Im Kloster Oesede entfaltete das Standbild bald große Wohltätigkeit, so dass viele Pilger dorthin kamen, um beim Gnadenbild der Maria im Kindbett zu beten.

Viele hundert Jahre später, in der Nacht auf Jakobi, den 25. Juli des Jahres 1703, stahlen ruchlose Diebe das Gnadenbild aus der Klosterkirche. Da sie anscheinend doch noch das schlechte Gewissen packte, ließen sie es aber an der Nordmauer des Klosters zurück. Dort wurde es nur wenig später wiedergefunden. Aus Dankbarkeit für das Wiederauffinden des Bildes wurde eine alljährliche Prozession für den Tag des Diebstahls gestiftet. Noch heute findet jedes Jahr diese Jakobiprozession statt.

Abseits der frommen Sage hat man inzwischen festgestellt, dass das Gnadenbild, das in Kloster Oesede verehrt wird, kein Geschenk der Heiligen Elisabeth sein kann, da es kunstgeschichtlich ins 15. Und nicht ins 13. Jhd. zu verorten ist. Wir sind allerdings der Meinung, dass das der schönen alten Geschichte keinen Abbruch tut.