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Spartanisch sahen sie aus, klobig,  grau und auch nicht ganz heile. Die Kasernengebäude hatten im Krieg einige Lufttreffer eingesteckt und kaum ein Fenster hatte noch eine Scheibe. Der Anblick der Kaserne, der sich den Neuankömmlingen nach dem 2. Weltkrieg und nach den Strapazen ihrer Flucht bot, muss entmutigend gewesen sein.

Oldenburg war in den Jahren 1945-47 geradezu überfüllt mit Menschen, die der Krieg und seine Folgen aus ihrer Heimat Ostpreußen, Schlesien oder Pommern vertrieben hatten. Die Stadtväter sahen sich vor die schwierige Aufgabe gestellt,  diese vielen Menschen irgendwo unterzubringen.. Daher kam Bürgermeister Krahnstöver auf den Gedanken, die Hindenburg-Kaserne in eine provisorische Flüchtlingssiedlung umzuwandeln. So wurde die Situation etwas entzerrt und die allgemeine Wohnungsnot etwas gelindert.

Andererseits lag die Kaserne ziemlich weit ab vom Schuss. Darüber hinaus waren die Räumlichkeiten in den Kasernen alles andere als komfortabel. Die Wohnverhältnisse waren außerordentlich beengt und den Bedürfnissen eines Familienlebens kaum angemessen: kleine viereckige Verhaue, in denen früher die Hochbetten der Soldaten gestanden hatten. 7qm standen einer Einzelperson zu, einer Familie das Doppelte.

Die sanitären Zustände waren erbärmlich. Funktionierende Toiletten gab es nur im Freien, wobei natürlich die hygienischen Verhältnisse nicht immer optimal waren. Waschen konnte man sich nur in den Gemeinschaftswaschräumen im Keller, und der war sommers wie winters unbeheizt. Auch Strom gab es lange nur zu bestimmten Stunden am Tag. Und natürlich fehlte es an allem, angefangen bei einem Bett zum Schlafen bis zum Material, um die Fenster so abzudichten, dass nicht mehr der Regen durch die Ritzen der Bretter kam, mit denen man vielfach die Fensteröffnungen zugenagelt hatte.

Die Not und das Aufeinander-angewiesen-sein hatte jedoch auch zur Folge, dass man notwendigerweise gut miteinander umging und weiter zusammenrückte. Dass man die Erlebnisse der Vertreibung und des Heimatverlustes gemeinsam hatte, trug sicher ein Übriges zum sozialen Frieden in der Siedlung bei. Man hielt einfach zusammen und half sich, wo es eben ging. Darüber hinaus freute man sich über alle Anzeichen, dass es irgendwie weiter oder sogar wieder aufwärts ging. In den Erinnerungen der Betroffenen war die Zeit der Städtischen Siedlung, sobald man sich eingelebt hatte und die dringendsten Notstände behoben waren, eine sehr zufriedene.

Auch in anderer Hinsicht lebte man mit den einfachen Verhältnissen und gewöhnte sich daran, das Beste daraus zu machen. Die legendäre Kindergärtnerin Margot Stange zum Beispiel betreute mit nur einer einzigen Kollegin eine Schar von etwa hundertzwanzig Kindern. Und der gesamte Komplex von 12 Blocks wurde lediglich von drei Hausmeistern betreut. Aber selbst das funktionierte.

Da das Zentrum der Stadt für die Flüchtlinge nur schwer zu erreichen war, mussten sie das Lebensnotwendige vor Ort organisieren. So entstanden im sogenannten Gewerbehof der Städtischen Siedlung eine Reihe kleiner und kleinster Betriebe vom Lebensmittelhändler bis zum Handwerker. Als die Städtische Siedlung in der zweiten Hälfte der 50er Jahre abgewickelt wurde, weil die im Aufbau befindliche Bundeswehr in die Kaserne einziehen wollte, blieben viele der ehemaligen Flüchtlinge dem Stadtteil treu. Ein Beispiel dafür ist die Familie Didzun, die ihre Fleischerei zunächst auf dem Gewerbehof der Städtischen Siedlung betrieb und, als die Bundeswehr die Kaserne übernahm, einfach nur die Seite der Cloppenburger Straße wechselte. Dort besteht das Geschäft noch heute, inzwischen in der dritten Generation.