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Wir gingen mit Wind aus Nordost auf unserem Schiff unter Segel. Ich war zum ersten Mal dabei und war gespannt, endlich eine dieser gewaltigen Meereskreaturen zu Gesicht zu bekommen. Viele Geschichten erzählen sich die Männer über den Wal. Mir ward von einem berichtet,  welcher mehr als ein ganzes Fass Heringe in seinem Bauche trug. Ein anderer, einer unserer Harpuniere, berichtete mir, dass er einst bei Spitzbergen einen Wal gefangen, der zur Gänze weiß war.

Sobald das Schiff sich dem Nordmeer nähert, werden auch die kaltblütigsten Seemänner unruhig. Sie klettern oftmals in die Masten, um zu schauen, ob sie einen Wal sehen können, denn wer ihn als erster entdeckt, erhält eine Dukate für seine Mühen.“

Das Nordmeer wurde von der ganzen deutschen Nordseeküste aus befahren, obwohl es bis ins 19. Jhd. ausgesprochen gefährlich war, am Rande des Polarmeeres auf Walfang zu gehen. Das Wetter konnte erbarmungslos sein und so manches Mal wurde der Jäger auch zum Gejagten. Doch die gewaltige Beute einer solchen Jagd schien das Risiko wert zu sein.

An der Unterweser fuhr man schon seit dem 17. Jhd. zum Walfang aus. Einige der Seemänner, die dabei die Harpune schwangen, waren Leute von hier, d.h. sie wohnten in den Dörfern, die einmal zur Stadt Brake werden sollten.

Um 1840 gab es eine Reederei in Brake, die zwei eigene Walfänger auf Nordmeerfahrt schickte. Das war die Reederei Tobias, an deren große Zeit noch der Schriftzug an ihrem alten Packhaus im Binnenhafen erinnert. Ihre Kapitäne sollen dem Stolz ihres Standes besonderen Ausdruck verliehen haben, indem sie die großen Kiefer von Grönlandwalen als Gartentor ihrer Häuser benutzten.

In Brake gab es zu dieser Zeit auch zwei Tranbrennereien, eine davon gehörte dem besagten Reeder Tobias. Dorthin wurde der Speck der gefangenen Wale angeliefert und zu Tran verarbeitet. Weil einige Lieferungen auch über Land kamen und der Speck vielfach schon verdorben war, entwickelte die Tranbrennerei einen sehr eigentümlichen Geruch.

Als Brake 1912 eine Fettraffinerie bekam, sah das Ganze inzwischen schon ganz anders aus - bzw. es roch ganz anders, denn hier wurde das Fett gehärtet zu einer geschmacks- und geruchlosen Grundsubstanz für Magarine und andere Lebensmittel verarbeitet.

Noch nach dem Zweiten Weltkrieg ist man von Brake aus wieder Richtung Norden auf Walfang gefahren.

Das ist natürlich inzwischen alles Geschichte, denn mittlerweile ist angesichts der dramatisch geringer werdenden Walbestände in unseren Meeren der Walfang nach internationalem Recht weitestgehend verboten. Daher erinnern heute bei uns nur noch wenige Überreste an die Zeit der Grönlandffahrer, in der das Meer noch als weit gefährlicher und unerschöpflicher galt als es heute der Fall ist.