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Seid gegrüßt, liebe Brüder und Schwestern. Ja, man erkennt einander an der Jakobsmuschel! Auch ihr seid wohl unterwegs ins ferne Spanien zum Heiligen Jakob oder nach Santiago, wie die Spanier sagen. Mich trug es über die alte Fernstraße von der Ostsee hierher. Und wenn mich meine Füße weiter bis ins heilige Köln getragen haben, werde ich bei den Heiligen Drei Königen, wohl das erste Mal eine längere Rast einlegen. Aber auch von hier will ich nicht einfach so davonziehen. Der Heiligen Margarete von Antiochia will ich meine Aufwartung machen und aus ihrem Brunnen trinken! Aber begleitet mich doch!

Einerseits war die Stadtkirche von Lengerich an einem der europäischen Hauptpilgerwege, nämlich dem Jakobsweg gelegen, andererseits war sie über Jahrhunderte hinweg selbst das Ziel vieler Pilger. Ein, wie es heißt, wundertätiges Gnadenbild der Heiligen Margarete wurde in der Kirche verwahrt. Darüber hinaus gab es einen der Heiligen gewidmeten Brunnen mit heilkräftigem Wasser. Noch um das Jahr 1500 war den Lengerichern daran gelegen, den Pilgern ein würdiges Ziel zu bieten. Deshalb wurde die alte romanische Kirche 1497 weitgehend abgerissen und durch den heute noch vorhandenen zweischiffigen gotischen Neubau ersetzt. Lediglich der Turm und Teile der Südmauer, wo Sie noch das alte romanische Eingangsportal bewundern können, wurden in den Neubau integriert. Dazu erhielt 1505 der Turm noch eine zusätzliche Glocke, natürlich der heiligen Margarete gewidmet. Doch nur wenige Jahrzehnte später war es schließlich mit all der Pilgerherrlichkeit vorbei, denn ab 1527 führte Graf Konrad von Tecklenburg die Reformation in seinem Land ein. Nun sollte, wie in allen evangelischen Landen, die christliche Verehrung nur noch der Heiligen Dreifaltigkeit gelten. Das bedeutete, das Bild der Heiligen Margarete wurde nicht mehr gebraucht und schließlich sogar aus der Kirche entfernt.

Seit dem Einzug der Reformation gibt es zwar in der Stadtkirche keine Heiligen mehr, aber dennoch gibt es auch im Rahmen der evangelischen Kirche Menschen, die Vorbildfunktion haben. Hier in Lengerich erinnert man zum Beispiel gerne an Friedrich von Bodelschwingh, dem Leiter der späteren Bodelschwinghschen Stiftungen in Bethel, einer der wegweisenden Gestalten der Diakonie in Deutschland. Hier, in der Stadtkirche ist er 1831getauft worden, das heißt, hier begann sein Weg mit der Kirche, der ihn so weit tragen sollte.

Und mit dem Bild des weiten Weges sind wir wieder zurück bei unserem Pilger angelangt, der auf dem Jakobsweg Richtung Santiago de la Compostella marschiert. Sicher, Spanien ist weit, und nur noch selten wird jemand gerade von Lengerich aus dorthin aufbrechen. Dennoch ist der Jakobsweg vielfach zurück in unser öffentliches Bewusstsein gelangt, er gilt geradezu als modern. Dabei wird er wohl ganz richtig als ein Weg zu sich selbst verstanden. Und den kann man auch heute noch sehr gut hier und heute beginnen lassen.